Über das Bildungssystem

Ein paar konstruktive Vorschläge

Feynman
Feynman

Umstrukturierung des Bildungssystems

In diesem Post möchte ich ein paar Ideen zu einer Reform und Umstrukturierung unseres Bildungssystems vorstellen. Es handelt sich hierbei nicht um eine tiefgreifende Analyse, sondern viel mehr um eine Sammlung von Vorschlägen und Ideen, die ich persönlich spannend und sinnvoll finde. Das Ziel ist es, Schule einmal anders zu denken und eine Diskussion über eine Reform des Bildungssystems anzustoßen.

In diesem Post wird auch nicht gezeigt, warum unser aktuelles Bildungssystem eine Reform braucht, das wurde bereits oft an anderer Stelle besser gezeigt.

Diskutiert in den Kommentaren gerne über unser Bildungssystem und auch meine Vorschläge!

Die grobe Struktur eines möglichen anderen Systems

  1. 6 Jahre Grundschule
  2. Zwei gröbere Zweige von weiterführenden Schulen
    • Der theorieorientierte Zweig
    • Der praxisorientierte Zweig

Unterschiede zwischen den Zweigen:

Der praxisorientierte Zweig soll die Schüler auf eine Berufsausbildung oder ein berufsausbildendes Studium1 vorbereiten.

Ein Absolvent des praxisorientierten Zweigs soll mit den richtigen Zertifikaten alles studieren können, also ist dieser Schulabschluss nicht minderwertig anzusehen. Er ist keine schlechtere Bildung, nur eine andere!

Der theorieorientierte Zweig hingegen bereitet Schülerinnen und Schüler auf ein wissenschaftliches Studium mit Fokus auf wissenschaftlichem Arbeiten und einer darauffolgenden wissenschaftlichen Karriere vor. Durch Vertiefungsfächer kann ein Schüler sich individuell auf einen gewünschten Studiengang besonders vorbereiten, muss dies aber nicht tun.

Die Struktur des Unterrichts

Gliederung in Basiskurse und Vertiefungskurse

  • Beide Schularten besitzen feste Basiskurse, die verpflichtend sind. Zusätzlich ist es noch verpflichtend, eine gewisse Anzahl an Stunden mit Vertiefungskursen in der Schule zu verbringen (sofern es der Stundenplan erlaubt, soll man auch mehr Vertiefungskurse besuchen dürfen, als nötig).

  • Man muss die weiterführende Schule mindestens 5 Jahre besucht haben und darf sie maximal 9 Jahre besuchen.2

  • Die angebotenen Vertiefungsfächer sind von Schule zu Schule unterschiedlich, einige müssen aber bei jeder Schule angeboten werden.

  • In höheren Jahrgangsstufen soll die Anzahl der Stunden, die die Schülerinnen und Schüler in Basiskursen verbringen müssen, immer weiter sinken:

    • In Jahrgangsstufe 6 machen die Vertiefungsfächer noch kaum etwas von der Gesamtunterrichtsmenge aus. In höheren Stufen soll der Anteil der Vertiefungsfächer steigen und die Schüler mehr Freiheiten erhalten.
    • Beispielsweise könnte man ab der 9. Klasse folgendes Verhältnis ansetzen: ein Drittel verpflichtende Basiskurse, ein Drittel Projekte (Unterkategorie der Vertiefungskurse) und ein Drittel frei wählbare Vertiefungskurse.
  • Eines der angebotenen Vertiefungsfächer soll auch ein Grundkurs sein, der nicht spezialisiert ist und unentschlossenen Schülern eine ordentliche Grundlage und Ergänzung zu den Basiskursen, sowie eine Art Nachhilfe bietet, was der Chancenungleichheit, die durch die, für ärmere Familien nicht verfügbare Nachhilfe entsteht etwas eindämmen sollte.

  • Projekte sind eine Unterklasse der Vertiefungskurse, hier wird mit den Schülern ein interdisziplinäres Projekt durchgeführt. (Zum Beispiel "Der Klimawandel und dessen Auswirkungen", was eine Fusion der klassischen Schulfächer Chemie, Physik, Geographie, Sozialkunde, Mathematik und Englisch wäre).

    Um die Organisation zu erleichtern, könnte man sämtliche Grundkurse in einem bestimmten Zeitrahmen (z. B. Mo, Di, Mi oder aber Vormittags) abhalten während die Vertiefungskurse einen anderen Zeitrahmen erhalten.

  • Einige Vertiefungskurse ersetzen manche Basiskurse, bzw. Teile der Basiskurse (Beispiel: "Klassische Mechanik", welches einen Teil des Basiskurses Physik ersetzt). Der Schüler erhält in diesem Fall eine Befreiung vom Basiskurs. Wenn er den jeweiligen Vertiefungskurs besteht, muss er den jeweiligen Basiskurs, der eine Voraussetzung für den Schulabschluss darstellt, nicht mehr besuchen.3

  • Jeder Kurs ist in verschiedene Themenabschnitte gegliedert und wenn ein Schüler aus irgendeinem Grund einen Themenabschnitt schon beherrscht, ohne den Kurs besucht zu haben, kann er vor Beginn des Abschnittes einen Test, der testet, ob er die Kursziele tatsächlich erreicht hat, machen und wenn er ihn gut besteht, muss er an diesem Abschnitt des Kurses nicht mehr teilnehmen. (Das ist natürlich bei manchen Kursen bei denen ein großer Teil des Kursziels die soziale Kompetenz beinhaltet schwer umzusetzen.)

  • Sollte ein Schüler einmal einen Kurs nicht bestehen, bleibt er nicht sitzen, wie momentan, sondern er muss nur diesen einen Kurs (im Fall, dass es ein Basiskurs ist) wiederholen.

  • Der Abschluss jedes einzelnen Vertiefungskurses gibt dem Absolventen eine Art Zertifikat, welches den Abschluss bestätigt.

Ein paar Ideen für mögliche Vertiefungskurse:

Philosophie, Erziehungswissenschaft, verschiedene Sprachen, mathematisches Denken, Graphentheorie, Kochen, Grundlagen der Linearen Optimierung, Psychologie, Meditation, Spieltheorie, unterhaltende Medien(Literatur, Film, Theater, etc.), usw.

Ein Beispiel für einen Vertiefungskurs (um zu zeigen, wie genau solche Vertiefungsfächer aufgebaut werden können)

Mathematisches Denken -- In diesem 7-8 stündigen (pro Woche) Kurs werden 4-5 Stunden mit der Erlernung von mathematischen Methoden (z. B. "Problem auf simpleren Fall des Problems zurückführen und davon lernen") verbracht. Hier werden auch viele Matherätsel gelöst etc. ($\rightarrow$ Spaß) Teilweise werden hier auch genau die Methoden angeschnitten, mit denen Themen des Matheunterrichts zu tun haben. So können sich die Schüler beispielsweise möglicherweise die Formel für den Flächeninhalt eines Dreiecks selbst erschließen. Dies alles dient dem Zweck, das mathematische Denken der Schüler zu schulen.

Schulabschluss und Bewertung

Schulabschluss

  • Den Schulabschluss erhält man durch das erfolgreiche Beenden aller zum Schulabschluss nötigen Basiskurse, sowie der benötigten Anzahl an Vertiefungskursen.
  • Es gibt schriftliche und mündliche Abschlussprüfungen. Diese fragen größtenteils Methoden ab, also werden die Abschlussprüfungen in keinem Fach speziell gemacht, sondern deren Aufgabenstellungen sind nur als Probleme bestimmter Fächer formuliert.

Bewertung

Innerhalb der einzelnen Kurse gibt es nach wie vor Noten. Dieses Punktesystem kommt nur in der abschließenden Kompetenzbewertung zum Tragen. Diese muss bei Schulabbrechern frühzeitig ausgestellt werden und es könnte ungefähr folgendes Schema haben:

  1. Fachliche Kompetenzen: Es gibt einen Punkteschlüssel, dieser summiert die, für bestimmte Kurse festgesetzten Punktzahl auf. Hier wird nach gröberen Fachgebieten und Basis und Vertiefungskursen unterteilt.
  2. Bewertung der Methoden: Zwei Drittel dieser Bewertung kommt von den Lehrern und deren Eindrücken/Klausuren, das letzte Drittel kommt von den Abschlussprüfungen. Hier werden allgemeine Fachunabhängige Methoden, wie Textverständnis, Wissensverknüpfungsfähigkeit, Soziale Kompetenz oder Problemlösungsstrategien bewertet. In jeder dieser Methoden wird eine Punktzahl zwischen 0 und 100 ausgegeben. Die praxisorientierte Schule prüft andere Methoden und legt bei gleichen Methoden andere Schwerpunkte, als die theorieorientierte.

Digitalisiertes Lernen

  • Zu jedem einzelnem in der Schule gelehrtem Thema (und noch mehr), soll der Unterricht auch in Form von interaktiven Videokursen mit Übungsaufgaben, etc. im Internet kostenlos verfügbar sein.
  • Das dürfte den Staat zur Erstellung einmalig ein paar Milliarden kosten (wenn überhaupt) und es ist der ideale Weg, sowohl leistungsschwache Schüler als auch leistungsstarke Schüler (in Kombination mit dem Überspringen von Kursen) optimal zu fördern. Natürlich müssen die normalen Lehrer gegenüber Schülern, die zusätzlich Online lernen immer für Fragen offen sein. Zusätzlich sollte es jedem erlaubt sein auf dieser staatlichen Webseite, einen Kurs anzubieten, dieser müsste nur zuvor durch Prüfer überprüft werden.
  • Mehr dazu siehe auch [hier] (https://schuelerkolleg-international.de/2019/04/07/digitalisierte-bildung-wie-der-staat-die-bildung-mithilfe-moderner-technologien-verbessern-konnte/)

Ein paar kleinere Ideen

  • Die Schule sollte später beginnen, weil Forschungen ergeben haben, dass der zirkadiane Rhythmus von Jugendlichen so beschaffen ist, dass diese um 8 Uhr früh noch nicht so aufnahmefähig sind.4
  • „teach first“: Top/Elite Studenten sollten vor ihrem Berufsstart (nach kurzer Einführung in die Didaktik) erst einmal 2 Jahre lang lehren dürfen. Davon profitiert die Lehre, weil neue Ideen und engagierte junge Menschen in die Schulen kommen und die ehemaligen Studierenden profitieren, weil sie dadurch eine neue andersartige Erfahrung gesammelt haben.5
  • Auch könnte man dafür sorgen, dass generell mehr Menschen von „außen“ Schulen besuchen und den Schülerinnen und Schülern ihr Fachgebiet näher bringen. Von solchen Menschen lernen die Schüler oft besser (da dies einen Einblick in die "reale Welt" gibt).
  • Allgemein sollten Universitäten, bzw. Arbeitgeber verstärkt Eignungsprüfungen einführen, da Zeugnisse nur bedingt aussagekräftig sind.
  • Der Mathematikunterricht sollte auf zwei Fächer aufgeteilt werden: Rechnen und Mathematik
    • Beim Rechnen soll es um das Verwenden von mathematischen Werkzeugen und dem Ausrechnen von Dingen gehen. (Im Prinzip das, was der aktuelle Mathematikunterricht beinhaltet.)
    • Bei der Mathematik soll es um das Lösen von mathematischen Rätseln und das Führen einfacher Beweise oder Begründungen gehen.
  • Deutschunterricht in der Oberstufe: Deutschunterricht ist Methodentraining (vor allem in höheren Jahrgangsstufen). Nicht mehr und nicht weniger. Momentan enthält der Deutschunterricht sehr viel Literaturgeschichte und die Methoden werden an dieser erlernt und trainiert. Ich denke, dies sollte jedoch getrennt passieren. Für Literaturgeschichte könnte man entweder ein separates Fach erschaffen, oder es mit Geschichte verbinden. Dann lernen Schüler die literarischen Methoden an modernen Texten, die genauso philosophisch/gedankenanregend wie die Literatur vergangener Zeiten sind, nur eben spannender, leichter verständlich und relevanter, da sie moderne Probleme ansprechen. (Beispielsweise 1984 für Totalitarismus, Dan-Brown-Romane für Religion im 21. Jh., etc.). Das erhöht sowohl den Spaß, als auch den Lernfaktor der Schüler. Für besonders interessierte kann ja ein Vertiefungskurs in dem Goethes Gedichte analysiert werden, angeboten werden.
  • Spickzettel: In der Schule sollte es nicht darum gehen, Namen berühmter Menschen und deren Geburts-, sowie Sterbedaten auswendig zu können, sondern darum die gelernten Konzepte zu verstehen. Ebensowenig geht es darum Wikipediaeinträge oder 20 Trivialnamen von Molekülen auswendig zu können. Alle diese Dinge (und noch viel mehr), die man momentan leider noch auswendig lernen muss, hat jeder einzige Absolvent (der nichts in dem Bereich machen wird) spätestens 5 Jahre nach dem Abschluss, wenn nicht sogar direkt nach der Prüfung wieder vergessen. Er wird es dann nur noch „schon mal gehört haben". Ich denke, dieses Problem lässt sich lösen, indem man ab der 10. Jahrgangsstufe jedem Schüler bei jeder Schulaufgabe erlaubt einen handschriftlich beschriebenen Zettel einer bestimmten Größe mitzunehmen. Der Schüler wird sich beim Verfassen des Zettels so viele Gedanken zum Thema gemacht haben (wegen der Komprimierung), dass er den Spickzettel, wenn überhaupt, nur zu etwas unwichtigem (wie etwa einer Jahreszahl) benötigen wird. Das sorgt dafür, dass die Schüler ihre Lernzeit mit sinnvolleren Dingen, wie dem Verstehen der Zusammenhänge, verbringen können.
  • Leistungskurse anbieten: Aktuell haben wir in der Oberstufe in Bayern ein System, bei dem es keine Leistungskurse gibt und alle dieselben Kurse besuchen. Somit schreiben zum Beispiel in Mathe oder Deutsch alle dieselben Abiturprüfungen. Dieses System schadet den leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern, die durch die schwierigeren Kurse in Fächern, die nicht zu ihren Stärken gehören, überfordert werden und ebenso den leistungsstarken Schülern, die durch die leichteren Kurse sich eher langweilen und zurückgehalten werden. Deshalb sollten Leistungskurse genutzt werden, um den unterschiedlichen Anforderungen der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden.

  1. Mit "berufsausbildendes Studium" meine ich Studiengänge die das Ziel haben, Studierende schnell in einen Beruf in der Wirtschaft zu bringen. Also in etwa ein solches, wie es aktuell an Fachhochschulen angeboten wird. ↩︎

  2. Die Idee dahinter ist, dass 5 Jahre der Standard sind, aber Schüler, die Lust darauf haben, auch die Möglichkeit erhalten, länger dort zu bleiben, um weitere Kurse zu besuchen. ↩︎

  3. Dies kann auch benutzt werden um manche Vertiefungskurse, die Basiskurse vollständig ersetzen, parallel mit den jeweiligen Basiskursen Ablaufen zu lassen. ↩︎

  4. siehe zum Beispiel https://www.youtube.com/watch?v=LprmzAzarRU oder https://advances.sciencemag.org/content/4/12/eaau6200 oder viele andere. ↩︎

  5. Die konkrete Forderung an die Politik ist also, dass dies für solche Studierenden einfach ermöglicht wird und diese dadurch ein Lehrzertifikat erhalten und ausreichend bezahlt werden. Außerdem muss die Möglichkeit bestehen, dass man nach den 2 Jahren auch ohne Lehramtsausbildung einen richtigen Lehrerjob erhalten kann und das nicht nur, wenn sich keine "Lehrämtler" dafür finden lassen. ↩︎