Digitale Ethik, dieser Begriff klingt erstmal etwas sperrig. Was soll man sich darunter überhaupt vorstellen? Wozu ist das gut? Und braucht man das überhaupt? Darum soll es im Folgenden gehen. Aber erstmal ein Blick auf die Geschichte:
- Im 19. Jhd. die Industrialisierung
- Im 20 Jhd. der Computer
- Im 21. Jhd. vernetzte Computer
Es geht um Entwicklungen, die die Gesellschaftsordnung in ihrer Zeit komplett auf den Kopf gestellt haben.
Wir sind heute 24/7 online und kommunizieren von überall aus überall hin (Online-Meetings, Instant Messenger, Social Media, ..).
Die Pandemie hat all diese Entwicklungen nochmal um einiges verstärkt und klarer sichtbar gemacht. Sie hat aber auch gezeigt, wie unvorbereitet wir teilweise sind.
In Schulen musste schnell eine funktionierende Lösung fürs Homeschooling gefunden werden und auf den Datenschutz wurde dann nicht immer so genau geachtet. MS Teams dürfte rechtlich eigentlich oftmals gar nicht in der Schule genutzt werden.
Aber es mussten eben schnelle, praktikable und einfache Lösungen her.
In diesem Digitalisierungsprozess dürfen wir aber nicht vergessen, auch darüber nachzudenken, wie wir eigentlich diese neue Welt gestalten wollen. Das liegt nämlich in unseren Händen.
Und damit wir als Gesellschaft nicht von der Digitalisierung überrumpelt werden, wie die Schulen es von der Corona-Pandemie wurden, ist es notwendig, dass wir ein geeignetes Wertesystem finden mit dem wir in dieser digitalen Welt ein "gutes Leben" führen können.
Mit einer so erlangten wertebasierten Medienkompetenz könnten wir unser Handeln in dieser neuen Welt eben nicht nur bewerten, sondern v.a. auch reflektieren, also darüber nachdenken. Und das ist unsere Verantwortung. Als Gesellschaft, und als Individuum.
Wissen ist Macht
Was geben wir bewusst oder unbewusst von uns Preis?
Über unser Surf- & Likeverhalten können beispielsweise detaillierte Psychogramme über uns erstellt werden. Es können also heutzutage schon aus relativ harmlos wirkenden Daten Rückschlüsse auf sehr private, intime Dinge gezogen werden.
Und will ich, dass mein nächster Chef oder die Versicherung, mit der ich einen Vertrag schließen will, alle diese Informationen hat? Mich deshalb vlt. anders behandelt?
Das sind alles brisante Fragen.
Aber nicht nur wer Wissen hat, hat Macht. Auch derjenige, der Zugang dazu gibt.
Facebook versorgt z.B. mit internet.org viele ärmere Regionen auf der Welt mit Internet.
Es gibt aber einen Haken: darüber kann man nur von Facebook sorgfältig ausgewählte Dienste nutzen.
Eine weitere ethische Frage: Ist es besser, wenn jemand eingeschränkten, gefilterten Zugang zum Internet hat oder wenn er gar keinen Zugang hat.
Diese Frage danach, was man im Internet sieht, stellt sich noch in einem ganz anderen Kontext:
Heutzutage ist es nämlich nicht mehr so, dass ein Programm nur genau das tut, was der Programmierer Schritt für Schritt vorgegeben hat.
Es ist vielmehr so, dass der Programmierende eine Art Skelett erstellt und das Training und den Muskelaufbau machen dann wir alle mit unseren Daten.
Meist weiß man dann selbst nicht genau wie das Programm eigentlich zum Ziel gekommen ist. Es ist also eine Art magische Blackbox der man nur Daten und ein definiertes Ziel übergibt und das spuckt dann eine Lösung aus.
Und genau dieser Umstand wirft dann ethische Fragen auf.
Der Algorithmus ist selbst nicht voreingenommen, aber die Daten können das umso mehr sein. Trainiere ich z.B. ein Programm, das über die Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalls entscheidet mit Daten aus den letzten Jahrzehnten, wird dieses Programm rassistische Entscheidungen treffen, da Sachbearbeiter in der Vergangenheit so gehandelt haben und das Programm dieses Verhalten aus den Daten gelernt bzw. übernommen hat.
Aber auch die Zielsetzung kann problematisch sein. Die Algorithmen die für Vorschläge auf Social Media verantwortlich sind, haben z.B. oft das Ziel, dass der Nutzer möglichst viel Zeit auf der Plattform verbringt, was natürlich zu mehr Werbeeinnahmen führt.
Diese Entscheidung, Aufmerksamkeitszeit statt Qualität zu maximieren ist eine von den Unternehmen getroffene ökonomische Entscheidung.
Aber ist das ethisch vertretbar? Wollen wir das?
Die Technik an sich ist zunächst neutral - ein Werkzeug. Genauso wie ich ein Auto als Transportmittel, aber eben auch als Waffe nutzen kann.
Es kommt also darauf an, wie wir sie verwenden. Und um genau diese Frage, wie wir dieses mächtige Werkzeug verantwortungsvoll nutzen können, geht es in der Digitalen Ethik.
Ein weiterer Aspekt ist der Dialog der Kulturen:
- In den USA gibt es z.B. ein viel mehr an kommerziellen Interessen orientiertes Verständnis von Privatsphäre.
- In China das Gegenteil: Dort ist die Datennutzung sehr eng mit dem Staat verwoben.
In Europa haben wir eine Art Mittelweg und müssen zu unserem eigenen Selbstverständnis von Privatsphäre kommen.
Ich plädiere hierbei für eine Ethik der Balance, die abwiegt, zwischen den Interessen des Individuums und denen der Gesellschaft.
Dieser Dialog ist auch eine Aufgabe der Digitalen Ethik:
Sie sammelt Ideen, moderiert und vermittelt und baut so Brücken zwischen den Kulturen.
Nun sind vielleicht viele Fragen aufgekommen, aber ich hoffe die eine Frage - warum eine Digitale Ethik überhaupt notwendig ist - für Sie beantwortet zu haben.
Falls Sie nun Lust bekommen haben, sich mit einer konkreteren Fragestellung auseinanderzusetzen:
Viele Internetplattformen (wie Instagram oder YouTube) nutzen Algorithmen, die die Maximierung der Aufmerksamkeits- bzw. Interaktionszeit als Ziel haben. Es werden also gezielt individuell jene Inhalte vorgeschlagen, welche uns am längsten auf der Plattform halten. Dies sind häufig Inhalte die polarisieren, bestehendes Denken bestätigen und Emotionen auslösen. Finden Sie das problematisch? Sind wir im Digitalen Zeitalter noch Herren über unsere eigene Zeit?
Teilen Sie ihre Gedanken dazu gerne in den Kommentaren.